Fossiler Pflanzenmoder 
Eine spezielle Taphozönose                                                                 

Die Variabilität der Lebensräume zur Schilfsandsteinzeit hat heute ihre Entsprechung in einer Vielfalt fossiler Pflanzenerhaltung. Man findet Kohle, fossile Holzkohle (Fusit), Verkieselungen, Erzbildungen und sogar Bernstein mit organischen Einschlüssen. Es werden grobe Steinkerne von Ästen und Baumstämmen gefunden, häufig sind kohlige oder erzhaltige Abdrücke von Blättern. Eine erstaunliche Vielfalt einstiger Lebensformen bietet der Schilfsandstein vor allem im mikroskopischen Bereich. Bekannt wurden u. a. pflanzliche Mikrofossilien, wie Megasporen und andere Palynomorphe (Wierer 1999, Heunisch 1999) oder Pflanzenkutikeln, mit deren Systematik und Stoffnatur sich bereits Bornemann (1856)  beschäftigt. Der strukturbietende Erhaltungszustand der fossilen Blatthäutchen erweckt bei ihm den Eindruck, als handele es sich um originäres, unversteinertes Pflanzenmaterial   (Fig. 1-5).  Diese Ansicht hält sich hartnäckig bis heute, obwohl sie zu Widersprüchen führt.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  1           3         4   

         fossiler Farnfieder        Detail von 1                   fossiler Farnfieder              Detail von 3: Sporangien 

 

 

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         Detail von 4: einzelne Sporen  am Blattrand   

Intensive Durchsicht bestimmter Tonsteinlagen  mit dem Mikroskop (Ziegler 1997)  erbrachte nicht nur eine große Anzahl disperser Kutikeln und anderer Pflanzenteile, sondern brachte auch die Entdeckung zahlreicher fossiler Pilze und Flechten, die bemerkenswerter Weise aus dem gleichen bernsteinartigen Material bestehen, wie die Pflanzenreste ( Fig. 4/11 ). Als besonders fossil- und strukturenreich erweist  sich der fossile Pflanzen-Moder. Typisches Fundbild sind geringmächtige, kohlehaltige Tonsteinlagen, die vielerorts den Sandstein durchziehen. Charakteristische Verfärbungen der Gesteinsoberfläche geben erste Hinweise auf die besondere Fundsituation des fossilen Pflanzenmoders ( Fig. 7). Solche Horizonte  enthalten ein für das bloße Auge unentwirrbares Durcheinander verschiedenster Pflanzenteile, die teilweise von fossilen Pilzgeweben überzogen und durchsetzt sind. Für den Sammler bedeutet das vor Ort einiges an Erfahrung bei der Auswahl der Sammelstücke, denn erst bei der häuslichen Durchforstung des Gesteins mit dem Stereomikroskop kommt man zu Funden. Im Licht- oder Elektronenmikroskop werden Myzelien und Hyphen  fossiler Pilze erkennbar (Fig. 8,10,11). Auch Bakterioen und ihre Zersetzungsspuren haben sich fossil erhalten (Fig.9).

7           8                  9     

 

  10                                                                 11

 fossiler Pflanzenmoder /    fossiles Myzel im fossilen Moder  / fossile Bakterien im Moder (REM)  / fossile Hyphe im Moder (REM)  /      fossile Pilzhyphen in "Kutikularerhaltung"

Die Taphonomie ist ein Spezialgebiet der Paläobiologie, die sich „ mit dem postmortalen Schicksal organismischer Strukturen und den Vorgängen der Zersetzung „ beschäftigt, besonders aber mit „denjenigen Sonderbedingungen, welche den Abbau verzögern und Fossilisation ermöglichen.“ (Seilacher 1999). Sie untersucht die Spuren aller Vorgänge zwischen Absterben  des Organismus und seiner Bergung als Fossil, wie Zerlegung, Abtransport, Sortierung, Einregelung und Diagenese. Taphonomische Prozesse, die zur Entstehung des fossilen Pflanzenmoders führten, lassen sich auch heute an Flussufern beobachten und annähernd rekonstruieren: 

Entstehung bis zur Einbettung

Der Boden ist bedeckt mit abgestorbenen Pflanzen unterschiedlicher Herkunft. Ein Teil davon wird von Wirbeltieren, Insekten, Würmern und anderen Pflanzenverwertern zerlegt, gefressen und in deren Stoffwechsel mineralisiert. Übrig gebliebene Pflanzenteile werden von Pilzen und Bakterien befallen, die ziemlich rasch die weniger stabilen Biostoffe, wie Zucker oder Proteine abbauen. Mit dem nächsten Hochwasser wird das verrottende Material abtransportiert und mechanisch weiter zerlegt. In einem  Altwasserarm schwemmt die schwächer werdende Strömung das zerkleinerte Restmaterial am sandigen Ufer zusammen. Die feuchte Pflanzenmasse ist ein idealer Wuchsort für Destruenten, wie Bakterien und Pilze. Ihre Kolonien und Myzelien breiten sich darin aus und greifen nun auch stabilere Pflanzenstoffe, wie Lignin oder Zellulose an. Bei ausreichender Luftzufuhr werden die Biostoffe abgebaut, alle organischen Reste remineralisiert und die für den Fortbestand des Lebens notwendigen Rohstoffe, wie CO2, PO43- , N03-, S042-, K+, Na+, Mg2+, Fe2+,Ca2+, Cl-, u.a. in den Stoffkreislauf zurückgeführt. Nur unter relativ seltenen Bedingungen entkommt organische Substanz dem natürlichen Recycling. Um bei unserem Beispiel zu bleiben, müsste hierzu Folgendes geschehen:  Die mit Destruenten  besiedelte Thanatozönose trocknet in der Sonne aus, wodurch sich der biologische Abbau verlangsamt. In der Modermasse haben sich biologisch schwer abbaubare, chemisch resistente Stoffe wie Sporopollenin, Kutin, Kutan, Chitin, Harze u.a. angereichert. Von den Destruenten selbst gelangt mehr Material in alle nun folgenden Fossilisationsprozesse , da sie ja bis zur Einbettung am Leben waren und selbst nicht abgebaut wurden. Dies mag erklären, warum die fossilen Destruenten noch mehr Strukturen bieten als das Pflanzenmaterial. Würde anschließend das verbliebene Restmaterial durch Schwemm- oder Flugsand bedeckt, könnte es unter Luftabschluss zu einer dauerhaften Konservierung der noch nicht verwesten Pflanzenteile und ihrer Bewohner kommen. In einem fluviatilen Regime ist allerdings die Wahrscheinlichkeit hoch, mit der eingebettetes Material wieder aufgearbeitet wird und für die fossile Überlieferung verloren geht.   Bleibt das Sedimentpaket von weiterer Erosion verschont, kann daraus im Verlauf langer Zeiträume eine fossile Lagerstätte entstehen. 

Eine Fundgrube für mikrofossile Strukturen

Fossiler Pflanzenmoder konserviert ein Gemenge kleinster Pflanzenteile, in denen die Reste vieler Arten der ehemaligen Ufervegetation in zufälliger Kombination enthalten sind. Vorausgesetzt die Pflanzenteile waren alle klein genug und wurden nicht sortiert, z.B nach Größe oder Gewicht beim Transport im Gewässer, bietet dieses Restegemisch einen sowohl nach Mengenanteilen der einzelnen Arten als auch im Hinblick auf die Artenkombination grob-repräsentativen Querschnitt der einstigen Vegetation im Einzugsbereich des Gewässers. Ihre floristische Auswertung eröffnet die Möglichkeit, das Bild einer lokalen bzw. regionalen Flora zu entwerfen, für die das Kriterium der Zeitgleichheit erfüllt ist.Fossiler Pflanzenmoder aus dem Schilfsandstein ist eine Fundgrube für mikrofossile Strukturen, in der sowohl die Reste abgestorbener Organismen als auch der sie abbauenden Bakterien und Pilze erhalten sind. Artenvielfalt und Formenreichtum der Pflanzen- und Pilzstrukturen erschließen sich dem Betrachter aber erst im Mikroskop. So sind z.B. Pflanzen-Kutikeln mit Epidermiszellen und Spaltöffnungen, Megasporen, Myzelien und Hyphen noch gut erkennbar Fig. 1-11. Die Pflanzenteile sind durchwegs sehr klein, meist unter fünf Millimeter. Dominierendes Element sind Pflanzenkutikeln. Vollständige Blattfieder, wie in Fig. 1 sind relativ selten. Meist sind Blattfragmente unterschiedlicher Arten miteinander vermischt. 

Vorgänge nach der Einbettung:  Fossilisation     Übersicht