Fossile Pilze                                                                   

(alle Abbildungen dieser Seite sind Fossilien aus dem Karn  / Alter ca. 220 Mio . Jahre)
                                                                                                 

Lange Zeit "Rätselhafte Fossilien"

Zwischen fossilen Pflanzen-Kutikeln eingestreut findet man im fossilen Moder Objekte, die sich äußerlich kaum von ihnen unterscheiden. Sie werden zum ersten Mal von Ludwig (1857) beschrieben und gelten für lange Zeit in der paläobotanischen Literatur als enigmatisch ( Fig. 1-3).    

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Mehrere Forscher haben sich intensiv mit dieser „seltsamen Lebensform“ beschäftigt, ohne dass man sich darüber einig werden konnte, um welche Art von Organismen es sich dabei handelt. Unterschiedliche Interpretationen ihrer systematischen Zugehörigkeit wurden vorgeschlagen. Das führte zur Beschreibung als Algen, Pilze, Megasporen oder Pflanzensamen. Manche Autoren sahen darin sogar tierische Produkte, wie z.B. Eier oder Kokons. Offenbar waren diese Organismen phylogenetisch erfolgreich und weit verbreitet. Michael (1936) beschreibt sie als pilzartige Objekte aus dem Wealden (Untere Kreide) in Deutschland. Horst (1954) findet sie in einem Bohrkern aus dem Wealden und interpretiert sie als Algen. Der gleiche Autor beschäftigt sich auch eingehend mit der auffallenden Stoffnatur dieser Fossilien, ohne zu einem konkreten Ergebnis zu kommen. Hughes (1955) findet sie ebenfalls im Wealden und macht daraus Megasporen. Manum (1991) und sein Team, die alle älteren Deutungen anführen und widerlegen, halten diese rätselhaften Objekte für Kokons von Clitellaten (Gürtelwürmer). Diese Gegensätzlichkeit der Deutungen überrascht und erklärt sich wohl damit, dass es sich um eine ausgestorbene Lebensform handelt, für die sich, so Manum et al. (1991), nur schwer rezente Vergleichsorganismen finden lassen. Die Entdeckung im Unterfränkischen Schilfsandstein ist das älteste und wohl auch ergiebigste bisher bekannt gewordene erdgeschichtliche Vorkommen dieser Fossilgattung (Ziegler, 1992).

Makroskopisch und auf dem ersten Blick sehen diese Objekte aus wie Blattkutikeln Höherer Pflanzen. Erst im mikroskopischen Bild, das Gewebe und Zellen erkennen lässt, wird deutlich, dass es sich hier um etwas völlig anderes handelt. Das typische Muster parenchymatischer Zellen Höherer Pflanzen (Fig. 4) ist nicht erkennbar, dafür ein myzelartiges Gewirr fädiger Elemente ( Fig. 5 und 6). Dieses Flechtwerk ist das Grundgewebe, aus dem die Objekte aufgebaut sind. Im Lichtmikroskop wird erkennbar, dass die verflochtenen Fäden eine hyphenartige Feinstruktur aufweisen ( Fig. 7). 

  4   5   6   7   

Im Elektronenmikroskop wird die Histologie noch deutlicher. Das Gewebe (Fig. 8) besteht aus gebündelten Fäden (Fig. 9), die von einer Hülle umschlossen sind. Die Bündel können dort, wo sie sich berühren, verschmelzen und so ein zusammenhängendes Lager bilden (Fig. 10,11) . Auf den ersten Eindruck hin ist man geneigt, hinter diesen Flechtwerken einfache Pilze zu vermuten. Gegen die  einfache Pilznatur spricht aber die Tatsache, dass die fossilen Flechtwerke kompakte, sterile Vegetationskörper bilden, was für rezente Pilze ungewöhnlich ist. Entsprechendes gilt auch für die Bündelung von Hyphen innerhalb einer gemeinsamen Hülle (Fig.12).

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Auch eine histologische Verwandtschaft mit fädigen Algen bietet sich an. Meeresalgen bauen aus solchen Flechtwerken imposante Vegetationskörper auf. Auch der mikroskopische Feinbau mancher Samenhüllen sieht den Flechtwerken verblüffend ähnlich. Solche und andere Spekulationen, Interpretationen und gegenseitige Widerlegungen finden sich in der Literatur. Man darf davon ausgehen, dass Fossilien dieser Art heute als „Kuriosa, enigmatische Spezies“ oder unter falscher systematischer Zuordnung in vielen Sammlungen von Palynomorphen aufbewahrt werden, sind sie doch aus zahlreichen erdgeschichtlichen Formationen bekannt geworden, von der Trias bis ins Tertiär. Manum et al. (1991) interpretieren derartige Gewebe, die sie aus dem Jura Spitzbergens beschreiben, als Reste von Clitellaten-Kokons, was bedeuten würde, dass es sich um fossile Gespinste handelt. Die gute Erhaltung der Unterfränkischen Keuperexemplare bietet jedoch cytologische Details, die klar erkennen lassen, dass es sich um fossile Zellstrukuren handeln muss. So zeigen die Gewebe sowohl Wachstum als auch Regeneration. Wachstum mit auskeimenden Hyphenspitzen im Licht- und Elektronenmikroskop (Fig. 13-16):

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15          16  

Häufig werden Gewebe gefunden, die offenbar schon zu Lebzeiten beschädigt worden sind, vermutlich durch Fraß (Fig. 17/18). Die beschädigten Zweigenden zeigen, dass hier Regenerationswachstum stattgefunden hat. Dabei wurde nicht nur die Hülle kallusartig regeneriert, man sieht auch, wie die innenliegenden Fäden mit dünnen Wachstumsspitzen aus dem Wundverschluss heraus neu auskeimen (Fig. 18-22)

17           18             19  

20           21  22

Der allgemeine Charakter des Wachstums  und die Regenerationsformen belegen eindeutig, dass es sich bei diesen Fossilien um die Reste von lagerartig wachsenden Organismen handelt. Damit ist die Kokoninterpretation (Manum et al. 1991) widerlegt. Aus der rezenten Lebewelt kennen wir viele lagerbildende Gruppen: Verschiedene Mikroorganismen (Schleimpilze, Cyanobakterien u.a.), Algen, Lebermoose, Prothallien von Farnpflanzen, Pilze und Flechten.

Fossile Pilzgruppen aus dem Karn

Die strukturbietende Erhaltung cytologischer Details ermöglicht eine taxonomische Einordnung dieser Fossilen. Es handelt sich zweifellos um Pilze. Ob sie heute ausgestorben sind, ist schwer zu sagen, da gerade im Reich der rezenten Pilze noch sehr viele Neuentdeckungen gemacht werden. Im fossilen Moder kann man anatomisch und cytologisch drei Pilzgruppen unterscheiden:

a   Einfache Pilzhyphen und Pilzmyzelien, die auf und im  Pflanzenmoder wachsen:

 

            

  Myzel                                                                      Sporangium mit Sporen       

 

                          

                          Hyphen                                                             Detail aus der Abb. links    

            

             

Hyphe auf einer Kutikula im REM                                                       Myzel eines Moderpilzes   

 

                                                             

Schleimpilz mit Sporangium

 

 

 

b   Pilze mit ausgeprägtem vegetativem Lager  aus einfachem Plectenchym, die epiphytisch, epigäisch oder auf Moder wachsen:

 

                                

 

            

                         

c   lichenisierte Pilze mit komplexen, geschichteten Lagern aus Plectenchymen bzw. Proso- und Paraplectenchymen

 

                                

 

(vgl. fossile Blatt-Flechten)                 fossile Flechten

 

Für die Hyphennatur der Zellfäden sprechen außer der longitudinalen Zellform die in manchen Gruppen  auftretenden schräggestellten, perforierten Septen. Das sind Zellwände mit Poren, die auch in rezenten Pilzgruppen vorkommen (Fig. 1-5). Die meisten Fundstücke haben überwiegend unseptierte Hyphen. Die Fig. 4 und 5 zeigen Hyphen von Pilzen mit einfachem Myzel  mit sehr deutlichen Septen, die offenbar von feineren Innenhyphen durchwachsen worden sind. Fig. 1 zeigt auch deutlich die Bündelung von Hyphen in einer gemeinsamen Hülle (Pfeile).

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